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Erfahrungsbericht Vitalitätstest

Die Züchter der AGT arbeiten daran eine Bienenpopulation zu entwickeln, die selbstständig die Varroamilben im Volk gering halten. Die Bienen sollen ohne Behandlungen oder Eingriffe des Imkers überleben können. Das vorselektierte genetische Bienenmaterial des Züchters wird durch gezielte Anpaarung der jungen Königinnen weiter optimiert. Besonders wertvolle Eigenschaften, wie z.B. Sanftmut und gute Honigerträge wollen wir dabei erhalten und verstärken.

Ein besonderes Hygieneverhalten spielt bei der Varroatoleranz eine große Rolle. Das gelingt den Bienen mit der außergewöhnlichen Varroa-Sensitiven-Bruthygiene (VSH); bei der die verdeckelten Zellen immer wieder geöffnet und die Brut auf Verletzungen kontrolliert wird. Geschädigte und von Milben befallene Brut, wird mitsamt den Milben ausgeräumt.  Allein schon das wiederkehrende Öffnen und Schließen der Zelldeckel (Recapping) stört die Milben bei der Vermehrung (Surpressed Mite Reproduktion = SMR). Diese bemerkenswerten Eigenschaften unserer Carnika Linien sind erblich. Nach einer sorgfältigen Prüfung werden die Völker ausgewählt, in denen die gewünschten Merkmale sehr ausgeprägt sind. Von deren Königinnen werden jüngste Larven als Zuchtstoff für die Reproduktion von neuen Königinnen verwendet. Durch Paarung mit Dohnen ausgewählter Vatervölker lassen sich die Eigenschaften bei den Nachkommen sogar verstärken. So wird mit jeder Generation die Varroatoleranz stärker ausgeprägt und sicherer weitervererbt. Die Zuchtmerkmale werden von den Drohnen  bei Standbegattungen, auf die Landrasse der Umgebung übertragen. Somit profitiert auch die regionale Bienenhaltung von den Zuchtfortschritten.

Von den Wissenschaftlern werden wir mit Untersuchungen auf SMR und Recapping unterstützt. Durch den Nadeltest, zur Bestimmung der Ausräumrate geschädigter Brut, können wir Züchter und Prüfer selbst die Fortschritte unserer Zuchtarbeit über viele Bienengenerationen beobachten. Eine regelmäßige Kontrolle des Milbenbefalls in den einzelnen Prüfvölkern gehört unbedingt dazu.

Der Vitalitätstest, ist eine gute Möglichkeit zu sehen, wie weit wir unserem Ziel einer varroatoleranten Biene schon nähergekommen sind.

Für den Test eignen sich Völker, die in der bisherigen Leistungsprüfung sehr gute Werte erzielt haben. Die Königinnen dieser Völker kommen als Zuchtmütter der nächsten Saison in Frage.

Ich wähle Völker aus, die mit einer überdurchschnittlich hohen Ausräumrate, bei den mindestens drei Nadeltests, überzeugen. Außerdem müssen die in Frage kommenden Völker eine sehr geringe bzw. kaum messbare Milbenbelastung im Juli aufweisen.

Idealerweise positioniert man die geeigneten Völker für den Vitalitätstest auf einen separaten, entlegenen Stand. So vermeidet man eine Invasion von Milben aus anderen Völkern.

An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an das Forstamt Malsch, ohne deren Bereitstellung eines Standplatzes der Test für mich nicht durchführbar wäre.

Zusätzlich halte ich zwei Völker bereit, in denen ich im Falle eines drohenden Zusammenbruchs, durch schnelles Umweiseln die Königinnen aus den Vitalitätstestvölkern retten könnte.

Während alle anderen Völker gegen Varroa behandelt werden, sollen bei den Völkern im Vitalitätstest bis Mitte Oktober keine Maßnahmen ergriffen werden. Im regelmäßigen Abstand von drei Wochen, muss der Zustand der Völker und der Milbenbefall kontrolliert werden. Bei der Durchsicht der Völker, werden die Menge an bienenbesetzten Waben und der Brutumfang erfasst. Direkt danach stelle ich den Befallsgrad mit Hilfe der Puderzuckermethode fest. So liegt augenblicklich ein aussagekräftiges Resultat des Varroabefalls vor. Der Umfang des benötigten Equipments ist überschaubar. Der Arbeitsaufwand dagegen, erfordert manchmal schon etwas Motivation. Um das voraussichtliche Erreichen der Schadschwelle zu ermitteln, benutze ich das Arbeitsblatt des Bieneninstituts Kirchhein: AB 339 Varroabefallskontrollbogen. Hier werden die Werte der Befallsmessung nach Datum eingetragen. Beim Verbinden der eingezeichneten Punkte entsteht eine Kurve, die das eventuelle Überschreiten der Schadschwelle zeitlich abschätzen lässt. Im Jahr 2021 war bei allen Völkern ein deutlicher „Knick“ in der Befallskurve, welcher Fragen aufwarf. 2022 habe ich den jeweiligen Brutumfang in den Völkern genauer kontrolliert und festgestellt, dass es im September schon brutfreie Phasen in den Völkern gab, die sich auf die Ergebnisse der Befallsmessung auswirkten.

Die Durchführung des Puderzuckertests, sowie eine detaillierte Anleitung zum Vitalitätstest und eine Tabelle für die Behandlungsempfehlung nach Befallsgrad ist im Methodenhandbuch der AG Toleranzzucht nachzulesen. (www.toleranzzucht.de/zuchtpraxis/methodenhandbuch)

Bis Mitte Oktober soll eine Volksstärke von mindestens fünf bienenbesetzten Waben nicht unterschritten werden. Der Varroabefall muss unter fünf Prozent liegen, damit die Völker eine Chance haben, den Winter zu überleben. Danach ist die Aufzucht der Winterbienen in den Völkern weitestgehend abgeschlossen und das Risiko an Varroa zu verenden deutlich geringer.

Ist der Varroabefall jedoch so weit angestiegen, dass das Volk gefährdet ist, muss sofort behandelt werden. In meinem Fall geschah dies im Jahre 2021 jeweils Ende Oktober. Die Völker hatten kaum noch Brut und die Angst nach all der Arbeit, die wertvollen Völker zu verlieren, war einfach zu groß. Zu diesem Zeitpunkt waren die wenigen Brutreste mit der Entdeckelungsgabel schnell entfernt. Mit Oxalsäure ließen sich die Milben auf den Bienen weitestgehend beseitigen. Ich muss zugeben, mit etwas mehr Mut zum Risiko hätte ich die Öxalsäurebehandlung bis in den Dezember aufschieben können. Zwei der insgesamt fünf Vitalitätstestvölker haben im Frühjahr 2022 einen Bilderbuchstart hinbekommen. Zwei der Völker hatten eine deutlich verzögerte Frühjahrsentwicklung und eines hat den Winter letztendlich nicht überlebt.

Im Jahr 2022 war die Milbenbelastung insgesamt geringer und die Aufzucht der Winterbienen schon viel früher abgeschlossen als üblich. Besonders interessant waren die letzten zwei Befallsmessungen. Ende September war in den Völkern fast keine gedeckelte Brut mehr zu finden; die Milben befanden sich also auf den Bienen und brachten den messbaren Varroabefall auf über zwei Prozent. Die warmen Herbsttage bewirkten jedoch erneut ein geringes Brutaufkommen und so blieb der messbare Befallsgrad im Oktober bei allen Völkern im unkritischen Bereich. Somit sind alle fünf Völker, die den Vitalitätstest in diesem Jahr durchlaufen haben, unterhalb der Schadschwelle geblieben. Sie können den Winter ohne Behandlung überleben. Die Oxalsäurebehandlung im Dezember dient zur Restentmilbung und erleichtert den Völkern einen guten Start ins kommende Frühjahr. Der Vitalitätstest ist ein erheblicher Mehraufwand. Dennoch ist es sehr interessant, zu sehen wie weit wir in unserem Bestreben vorangekommen sind.

Völker die weitestgehend ohne Behandlung auskommen, den Winter gut überstehen und im folgenden Frühjahr gut durchstarten sind ideal für die Nachzucht. Mit ihren speziellen Eigenschaften kommen wir unserem Zuchtziel mit jeder Generation guter Königinnen ein Stück näher.

 

Roswitha Wildauer

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